Fraktur von Albert Kapr - Eine Buchvorstellung

Geposted von Kirsten Schmeißer am

Eine Schrift schreibt Geschichte – Die Fraktur.

Ein repräsentatives Buch zu einem eindringlichen Thema verdient besondere Beachtung. Herausgebracht wurde dieser Titel erstmals 1993 im Verlag Hermann Schmidt Mainz. Im Jahr 2020 gab es eine Neuauflage, welche leider schon nach wenigen Wochen vergriffen war. Eine weitere Auflage plant der Verlag aktuell nicht. Dennoch möchten wir Ihnen dieses Buch vorstellen, da es einzigartig ist.  

Kann eine Schrift Schuld tragen?

Kaum eine Schriftgattung polarisiert so wie die Fraktur. Von den Nationalsozialisten erst zur deutschesten aller Schriften erkoren, dann aus politstrategischen Gründen 1941 von der NSDAP als »Schwabacher Judenletter« diffamiert und verboten, trägt sie immer noch die Last eines politischen Fragezeichens mit sich herum. 

Um 1985 begannen Typografen, die politische Diffamierung der Fraktur zu erforschen. Sie gingen zurück zu den Anfängen und der Entstehung der Fraktur um das Jahr 1500. Sie analysierten den inkonsistenten Umgang der Nationalsozialisten mit den gebrochenen Schriften und setzten sich mit den typografischen Strömungen der 30er Jahre auseinander. Sie fragten sich, wie es kommt, dass eine ganze Generation beim Anblick der gebrochenen Schriften NS-Assoziationen hat, obwohl die Schriften jahrhundertealt sind. Einer dieser nachdenkenden und nachforschenden Gestalter war Hans Peter Willberg. Er suchte Fraktur-Kenner zum Austausch. Einer dieser Gesprächspartner war Albert Kapr, der Grandseigneur der Gestaltung in der DDR, die gerade zusammengebrochen war. Man erkannte, dass die Filmindustrie nicht ganz unschuldig an den festen Verknüpfungen von Fraktur und NS-Zeit in den Hirnen einer Generation war, denn sie setzte konsequent die Fraktur ein, sogar Schriftschnitte, die es im Dritten Reich gar nicht gab – und auch für die Jahre, in denen Hitler und seine Helfer die gebrochenen Schriften längst aus ihrer Kommunikation verbannt hatten. Sie fanden, es sei Zeit für eine ebenso sachliche wie fundierte Auseinandersetzung mit der Fraktur. So entstand dieses Buch. Unprätentiös und solide. Sachlich, nicht politisch. Das absolute Gegenteil von reißerisch. Ein nachdenkliches Buch, das solide zurückblickt, seriös einordnet und Schätze hebt, die von Vergessen und Vernichtung bedroht waren: die 53 schönsten gebrochenen Schriften in kompletten Figurenverzeichnissen mit Entstehungsinfo festgehalten. Das war 1993. Zwei Jahre später starb Albert Kapr, zehn Jahre später Hans Peter Willberg. Und dieses Buch geriet etwas in Vergessenheit. Mit dem Erstarken einer neuen Rechten in Deutschland und Europa erleben wir einen Typo-Rollback, was die Fraktur angeht, die alten Klischees sind nicht ausgestorben. Albert Kaprs dezentes Buch verdient vor diesem Hintergrund neue Beachtung. Und die Fraktur faire Verteidiger.  

Dieser Titel wurde einst für Ausstattung und Gestaltung ausgezeichnet als eines der Schönsten Deutschen Bücher. 

Über den Autor

Albert Kapr geboren am 20. Juli 1918 in Stuttgart, gestorben am 31. März 1995 in Leipzig, war Type-Designer, Kalligraf, Typograf, Autor, Hochschullehrer, Rektor, Professor für Schrift- und Buchgestaltung. Er war ein anerkannter Mentor der Schrift- und Buchkunst in der DDR. Albert Kapr erhielt mehrere Preise und Orden, darunter den Gutenbergpreis der Stadt Leipzig und den Vaterländischen Verdienstorden in Silber und Gold. Er verfasste mehrere Publikationen zur Ästhetik der Schrift, Schriftgeschichte, Funktion der Typografie sowie Texte zur Druckgeschichte.  Sein Nachlass liegt im Deutschen Buch- und Schriftmuseum der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig.

 

Ihre

Kirsten Schmeißer

feder-fuehrend.de

 


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